Ob in Laos, in Malaysia oder in Sri Lanka: Das asiatische Landschaftsbild ist geprägt von Lehmhäusern. Gerade in ländlichen Gegenden ist der uralte keltische Baustoff weit verbreitet und bildet damit einen eindrucksvollen Kontrast zu den majestätischen Wolkenkratzern in den Metropolen. Denn er repräsentiert die zweite Seite Asiens – die einfache, bescheidene und traditionelle Seite Asiens.
Das typische Lehmhaus
Lehmhaus ist nicht immer gleich Lehmhaus. In den verschiedensten Größen und Facetten begegnet uns der beliebte Baustoff im asiatischen Raum. Selbst große und komplexe Bauwerke mit mehreren Räumen, Etagen und Fenstern sind mit von der Partie. Dasselbe gilt selbstverständlich für kleine und unscheinbare Bauten. Meist verfügen sie nur über einen einzigen Raum und gleichen damit eher einer Hütte. Fenster gibt es hier keine, nur eine Türöffnung. Bei dieser simplen Variante erfolgt die gesamte Belüftung damit über die Tür.
Wohlhabendere Bewohner schützen ihre Lehmhäuser mit Holztüren. Andere müssen sich lediglich mit einem Tuch als Haustür zufriedengeben. Verfügt das Bauwerk über einen Ofen oder eine Kochnische, ist ein Abzugsloch eingebaut – meistens in der Decke der Hütte. So können Gerüche und Feuchtigkeit nach außen abziehen. Lehmhäuser bestechen mit ihrer einfachen Bauweise. Selbst mit wenig Budget und wenig handwerklicher Expertise lassen sie sich mühelos errichten. Und genau deshalb findet man sie vor allem in den Slums von Asien vor – in den ärmeren Regionen des Landes vor den Toren der Metropolen.

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Warum sind Lehmhäuser in Asien so weit verbreitet?
Lehmhäuser sind fester Bestandteil des asiatischen Raumes – und das aus gutem Grund. Die Baukosten für die simple Behausung halten sich nämlich in Grenzen. Es braucht nur wenig Material und nur wenig technisches Equipment, um die Hütten zu errichten. Zudem gilt Lehm als einer der häufigsten Rohstoffe Asiens. In beinahe allen Regionen ist er vertreten. So können die Menschen guten Gewissens von anderen kostspieligeren Materialien wie zum Beispiel Glas oder Kunststoff beim Hausbau absehen. Lehm reicht völlig aus. Und genau aus diesem Grund ist das Lehmhaus für nahezu jedermann erschwinglich, selbst für Einwohner mit geringem Einkommen. Dank des günstigen und weit verbreiteten Rohstoffes haben sie zumindest ein Dach über dem Kopf.
Tulou, das Herzstück im Südosten Chinas
Das Paradebeispiel für asiatische Lehmhäuser sind die sogenannten Tulou. Hierbei handelt es sich um vergleichsweise große Lehmhäuser in runder oder viereckiger Gestalt. Man trifft sie in China an, in der südöstlichen Provinz Fujian. Tief im hügeligen Hinterland feiert man die eindrucksvollen Gebäude sogar als Weltkulturerbe. Seit 2008 gelten nämlich 46 der Tulou als UNESCO-Weltkulturerbe.
Der Name Tulou ist kein Zufall. Er stammt aus dem Chinesischen und bedeutet übersetzt so viel wie Erdhaus. Und genau so sehen die Bauwerke auch aus. Die hellbraunen Mauern aus einem Gemisch aus Erde, Sandstein, Kalk und Stroh erinnern tatsächlich an ein Erdhaus. Errichtet wurden die Tulou nach der traditionellen Bauweise der Hakka, einem alten Volksstamm aus Zentralchina. Der Krieg zwang sie damals zur Umsiedlung. Im südöstlichen Teil des Landes ließen sie sich nieder – insbesondere in den Provinzen Fujian, Guangdong und auch Jiangxi.

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200 bis 800 Menschen kommen in den großen, drei- bis fünfstöckigen Tulou unter. Damit sind die Rundhäuser der Hakka in etwa so groß wie ein Fußballfeld. Die dicken Außenmauern mit den winzigen Luken bieten ihnen Schutz vor feindlichen Angriffen, Feuersbrünsten und Erdbeben. Die Freizeit spielt sich zum großen Teil im Innenhof ab. Ob Essen, Zeichnen, Kochen, Reden oder Spielen: Die großzügigen Plätze mit offenem Dach sind ein beliebter Dreh- und Angelpunkt für die Gemeinschaft. Hier kommt man zusammen, hier tauscht man sich aus.
Die Bewohner der Tulou profitieren von den hervorragenden klimatischen Eigenschaften des Lehms. Bei Kälte hält er sie warm, bei Hitze hält er sie kühl. Von außen ist das Bauwerk bescheiden und schlicht und erinnert mehr an eine Festung. Von innen aber überzeugt es mit Farbe und viel Liebe zum Detail. Die meisten Tulou sind rund geformt. Und das ist kein Zufall. Denn je weniger Ecken und Kanten ein Zuhause hat, desto weniger Geister und Dämonen können sich darin verstecken. So gelten die außergewöhnlichen Gebäude laut altasiatischer Tradition als besonders rein und sicher. Die Bewohner sind bestmöglich vor bösen Mächten geschützt.